Entgrenzung im staatlichen Auftrag?
Warum es uns zu denken geben sollte, wie Politik und Medien mit Kritik umgehen
Letzte Woche hat eine Gruppe von WissenschaftlerInnen und ÄrztInnen ein 50-seitiges Dossier herausgegeben, dass den aktuellen Umgang des öffentlichen Rundfunks und Fernsehens (ÖRR) in Deutschland mit der Vermittlung von sexueller Aufklärung, sexueller Orientierung und sexueller Vielfalt kritisiert. Die Kritik manifestierte sich zum einen daran, dass der ÖRR wissenschaftlich nicht haltbare Thesen zu Geschlecht verbreitet und zum anderen, dass der ÖRR vor allem Kindern und Jugendlichen fragwürdige Inhalte vermittelt. Das Dossier wurde mit einem Artikel in der WELT der Öffentlichkeit vorgestellt.
Bild: Rudy and Peter Skitterians / Pixabay
In der Folge hagelte es Gegenkritik. Stellungnahmen einiger Sender des ÖRR, Beschwichtigungsversuche mit drei Gegenpositionen in der WELT, Artikel in anderen Zeitungen und ein Video eines bekannten Youtubers, der das gesamte Dossier als rechtsextrem verunglimpft und viele aufgeregte Posts auf sozialen Medien spiegeln die Spaltung unserer Gesellschaft zu diesen Themen.
Der Queerbeauftragte
Ich nehme den letzten Artikel des im Bundesfamilienministerium ansässigen Sven Lehmann zum Anlass, diesen Beitrag zu schreiben. Sven Lehmann ist Queerbeauftragter und Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Für einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Queerfeindlichkeit und Akzeptanz queerer Lebensweisen hat er ein Budget von 70 Millionen aus dem Bundeshaushalt erhalten.
Zum Vergleich: Die frühere Familienministerin Franziska Giffey hat das Budget der Bundesregierung für den Kampf gegen geschlechterspezifische Gewalt gegen Frauen seit 2020 um 18% reduziert auf 5 Millionen EUR pro Jahr bis 2022. Im aktuellen Haushalt der Bundesregierung wird die Istanbul Konvention zur Bekämpfung geschlechterspezifischer Gewalt gegen Frauen gar nicht erwähnt – ebensowenig wie ein Budget für die Umsetzung, auf die sich Deutschland seit 2018 verpflichtet hat. Und das, obwohl Deutschland inzwischen zu den europäischen Spitzenreitern in Femizid – also Mord aufgrund des Geschlechts – gehört, die Zahl der Femizide fast wöchentlich zunimmt und die Morde an Frauen und Kindern immer brutaler werden.
Eine von Sven Lehmanns ersten Amtshandlungen bestand wiederum darin, dem finanziell knapp gehaltenen Verband der Frauenhäuser abzuringen, dass sie auch Personen männlichen Geschlechts aufnehmen („Transfrauen“). Die Verantwortung für eventuellen Missbrauch in Frauenschutzräumen wird auf die einzelne Frauenhausmitarbeiterin abgeladen.
Frauen vom Lesen abhalten
Obwohl international die Kritik an den Auswirkungen der Queertheorie und der von ihr geforderten Self-ID-Gesetzgebung auf Frauen, Kinder und die Meinungsfreiheit immer lauter wird, zeichnet sich Sven Lehmann dadurch aus, jegliche Kritik als menschenfeindlich, rechtsextrem, rückständig oder existenzgefährdend einzustufen. In seinem letzten Artikel folgt er dem in queeren Kreisen üblichen Gebahren, auf die vorgebrachte Kritik inhaltlich gar nicht einzugehen und das Dossier offensichtlich beiseite zu legen, bevor er es überhaupt gelesen hat.
Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass ein wesentlicher Teil der Meinungsbildung im sogenannten intersektionalen bzw. queeren Feminismus darauf beruht, Frauen vom Lesen abzuhalten. Es wird seit Jahren gezielt daran gearbeitet, Feministinnen und feministische Organisationen aus der öffentlichen Auseinandersetzung zu drängen, indem man sie als rechtsextrem, rassistisch oder neuerdings transfeindlich verunglimpft.
Man möchte offensichtlich verhindern, dass vor allem Frauen Zugang zu einem Feminismus erhalten, der seiner inhaltlichen Bedeutung gerecht wird und gezielt für die Befreiung und Rechte der Frauen kämpft.
Herrn Lehmanns Meinungsartikel folgt dieser Haltung. Schon mehrfach hat er auch auf Twitter versucht, seinen Einfluss – entgegen seiner Zuständigkeit – gegen die Pressefreiheit geltend zu machen, indem er JournalistInnen direkt anging. Daneben schließt er Frauen mit ihm unliebsamen Meinungen aus der öffentlichen, politischen Auseinandersetzung aus, indem er sie als TERF beschimpft und blockt.
Die “Akzeptanz queerer Lebensweisen”
Was ist nun also mit Akzeptanz queerer Lebensweisen und Bekämpfung von Queerfeindlichkeit gemeint?
Auf Nachfrage in seinem Büro konnte niemand erklären, was „queer“ überhaupt sein soll. Das eigene Gebahren von Sven Lehmann mit berechtigter Kritik erhärtet den Eindruck, dass es bei Akzeptanz queerer Lebensweisen vor allem um Entgrenzung und Normalisierung der Weltanschauungen und Kinks erwachsener Männer geht. Ansonsten würde er differenzierter mit der Kritik von Bürgerinnen umgehen und beispielsweise zugeben, dass ein Beitrag über Chemsex oder Kannibalismus nicht wirklich Jugendprogramm ist.
Ich selbst bin aus feministischer Sicht nicht mit allen Punkten in dem genannten Dossier einverstanden. Beispielsweise ist es Fakt, dass Frauen in der medizinischen Behandlung Nachteile erfahren und ich halte es für wichtig, die Vielfalt und Komplexität weiblicher Geschlechtsorgane auch an Jugendliche zu vermitteln und die Benennung von Vulva und Vagina zu überdenken (Stichwort „Schamlippen“/„Scheide“). Wie das geschehen kann - darüber können wir streiten. Das Dossier sehe ich also als Diskussionsgrundlage. Dass alles rechts und menschenfeindlich sei, was dort kritisiert wird, geht allerdings an der Realität vorbei. Es geht ebenfalls an der Realität vorbei, dass das Dossier feindselig gegenüber der Vielfalt sexueller Orientierungen ausgerichtet sei. Gerade lesbische und bisexuelle Frauen und schwule und bisexuelle Männer, die sich in der LGB Alliance zusammengeschlossen haben, begrüßen das Dossier.
Einen Diskurs um jeden Preis verhindern zu wollen, spricht nicht dafür, dass die eigene Position tatsächlich fundiert ist. Es bestätigt eher den Verdacht, dass hier eine lieb gewonnene Weltanschauung nicht angekratzt werden darf.
Das öffentliche Ausleben von Kinks ist kein Menschenrecht
Es bestätigt auch, dass hier etwas als Menschenrecht bezeichnet wird, das kein Menschenrecht sein sollte. Es ist kein Menschenrecht, andere ungewollt mit den eigenen sexuellen Kinks zu konfrontieren.
Bild: Montreal Pride 2019 / Reddit
Die Pride Marches der letzten Jahre zeigen aber, dass das zunehmend wesentlicher Bestandteil der Queerbewegung ist: Sie selbst bestätigen, was ihnen über Jahre tatsächlich von rechtskonservativer Seite vorgeworfen wurde: Dass LGBTQI* inzwischen in weiten Teilen für das öffentliche Ausleben von Kinks, Fetischen und Paraphilien – auch vor Kindern – steht. Daher gründen sich international Gruppen wie die LGB Alliance, die tatsächlich wieder die Interessen von Homo- und Bisexuellen vertreten. Denn besonders Lesben werden von der Queerbewegung als zu vernachlässigende Nebensache behandelt und von Transaktivisten bedrängt.
Entgrenzung sollte aufmerksam machen
Eine Bewegung, die Entgrenzung normalisiert, sollte uns immer aufmerksam machen. Das gilt besonders, wenn sie Kinder indoktriniert und in ihrer Wahrnehmung und ihren Grenzen beeinflussen will. Es ist wichtig, dass Kinder die Akzeptanz unterschiedlicher Lebensweisen lernen und altersgerecht sexuell aufgeklärt werden. Genauso wichtig ist es aber, dass Kinder lernen, ihrer Wahrnehmung zu trauen und mutig Grenzen zu setzen. Es gehört zum Kinderschutz dazu, dass Kinder nicht dazu gezwungen werden zu lügen oder ihrer Wahrnehmung zu widersprechen, damit es einem Mann besser geht oder ein Mann seine Kinks und Paraphilien von Kindern bestätigt erhält.
Bild: Meme von Amy E. Sousa
Genauso sollte verhindert werden, dass Kindern Botschaften vermittelt werden wie, sie könnten im falschen Körper geboren sein oder sie könnten sich ihr Geschlecht aussuchen. Viele Länder wie Finnland, Schweden, Großbritannien oder Florida rudern inzwischen zurück bei der Behandlung von Minderjährigen mit Pubertätsblockern, Cross-Sex-Hormonen und geschlechtsangleichenden Operationen wie Brustamputationen. Der Zulauf von Mädchen zu diesen Behandlungen wurde in den letzten Jahren ungewöhnlich hoch und es stellte sich heraus, dass diese Kinder mit unabsehbaren Langzeitfolgen zu kämpfen haben. Auch diese internationale Entwicklung möchte Sven Lehmann offensichtlich ignorieren, um das Gesetzesvorhaben des Selbstbestimmungsgesetzes ungestört durchzusetzen. Es stellt sich also die Frage, wer hier nicht auf aktuellem Stand ist und in Kauf nimmt, dass Deutschland die Fehler anderer Länder wiederholt – auf Kosten von Frauen und Kindern.
Aufgabe des ÖRR sollte es wiederum sein, bei seinen Sendungsformaten besondere Sorgfalt walten zu lassen und genau abzuwägen, welche Grenzen überschritten werden. Der ÖRR kann als Bildungsinstanz gesehen werden. Daher hat er eine besonders hohe Verantwortung dafür, was und wie er komplexe Sachverhalte an Kinder und Jugendliche vermittelt. Aktuell entsteht der Eindruck, dass der ÖRR zunehmend genutzt wird, um die Entgrenzung unserer Gesellschaft zulasten von Frauen und Kindern voranzutreiben. Qualität und Grenzen zu wahren ist nicht gleichbedeutend mit Menschenfeindlichkeit und rechtsextremem Gedankengut. Unterstützt der ÖRR die in unserer Gesellschaft um sich greifende Porn und Rape Culture, wird er seinem Auftrag nicht gerecht und fördert Frauenhass.
Für mich bleibt also die Frage, warum der ÖRR Männer darin unterstützt, die Öffentlichkeit mit ihren Kinks zu konfrontieren, das als Menschenrecht darzustellen und Widerstand dagegen als rechtsextrem und menschenfeindlich oder gar existenzgefährdend zu verunglimpfen.
Das Problem ist, dass die breite Bevölkerung (vor allem Frauen) keinerlei Kenntnis von den Plänen der Ampel zu Self-ID und Streichen des TranssexG hat.
Erst will man Fakten schaffen, und dann erst könnte die große Mehrheit der Frauen von der Entgrenzung und Entrechtlichung erfahren...
Das Umgehen der Gender-AktivistInnen und populistischer Gruppen und Firmen mit diesem Thema ist alles andere als demokratisch!
Vielen Dank für diesen sehr informativen Artikel. Dass Frauen am Lesen gehindert werden sollen, wusste ich auch noch nicht. Tatsache ist , dass unter dem Mäntelchen von Toleranz für die Vielfalt und die sog. vulnerablen Gruppen sich letztendlich eine rückwärts gerichtete Bewegung gesamtgesellschaftlich vollzieht, die v.a. durch Ignoranz bestimmt ist. Ignoranz ggü Kindern und deren dringenden Schutzbedürfnissen vor erwachsener Sexualität. Der Exhibitionismus der Erwachsenen, der Kinder früh zu Voyeuren macht unter dem Vorwand der Aufklärung, ist nichts anderes als Kindesmissbrauch! Eigentlich ein Straftatbestand. Der ÖRR sollte sich daran nicht beteiligen, auch wenn es "In" ist und Trends aufgegriffen werden sollen, um Zuschauerzahlen zu gewinnen. Die Frauen sind heutzutage wieder mehr gefordert, für ihre Rechte zu kämpfen und diese frauenfeindliche Rückwärtsbewegung aufzuhalten. Leider sind bereits viele Frauen infiziert von der Ideologie der Queer-Bewegung und kriegen gar nicht mit, dass sie gegen andere Frauen hetzen und sich nur selbst schaden. Wir brauchen mehr Kämpferinnen wie dich, Ronalyze! Danke für alles!