Am letzten Freitag bin ich ein weiteres Mal von Twitter gesperrt worden. Anlass war ein Tweet, der mein Mitgefühl mit Mädchen zum Ausdruck bringen sollte – und zwar mit allen Mädchen, auch mit den Mädchen, die keine Mädchen sein wollen. Dieser Tweet soll angeblich Hass schüren und ich frage mich, an welchem Punkt der Geschichte wir uns befinden, dass es als Hass gesehen wird, Fürsprache für den Schutz und die Integrität von Mädchen zu leisten.
Gewalt gegen Mädchen und Frauen geht nachweislich weit überwiegend von Personen männlichen Geschlechts aus. Das ist eine Tatsache, die sich auch nicht dadurch verändert, dass diese Männer behaupten, sie seien Frauen. Nun wird uns aber eine Feindseligkeit unterstellt, wenn wir diese Tatsache zur Sprache bringen. Es wird zum Hass erklärt, dass wir den Erhalt geschlechterspezifischer Schutzräume für Mädchen fordern. Und es soll gar gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bis faschistisches Gedankengut sein, die körperlich-materielle Realität zu benennen, dass Menschen ihr Geschlecht nicht wechseln können.
Wenige Menschen möchten als feindselig bezeichnet werden oder anderen Menschen mutwillig schaden. Allerdings fällt auf, dass ein Schaden, den Mädchen und Frauen erleiden, als hinnehmbar gilt, wenn dafür Männer mehr Spielraum erhalten.
Und mir ist es wichtig, hier sprachlich ganz klar zu bleiben und von Männern und Frauen zu sprechen. Denn nur so können wir wirklich durchschauen, was hier geschieht. Da es beim Menschen nur zwei Geschlechter gibt und diese Geschlechter eindeutige Namen haben, bleibe ich sprachlich bei dieser Realität und verwende nicht die Sprache einer Weltanschauung, in der das Geschlecht selbstbestimmt und wechselbar ist.
Warum ist es also feindselig, menschenverachtend und hasserfüllt, wenn Frauen Männern Grenzen setzen? Warum ist es gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, wenn Frauen sich für ihre eigenen Interessen einsetzen? Warum dürfen ausgerechnet Mädchen und Frauen sich in ihrer eigenen Bewegung nicht ausschließlich um ihre Befreiung kümmern?
Frauen wurde schon immer Hass unterstellt, wenn sie zugunsten eigener Sicherheit und Rechte den Spielraum von Männern schmälerten. Wohlgemerkt handelt es sich hier um einen schier grenzenlosen Spielraum für Männer zulasten von Frauen. Seit Beginn des Patriarchats werden Frauen auf einen Objektstatus reduziert, in dem sie dem Vergnügen, dem Besitz und der Fortpflanzung der Männer zu dienen haben. Frauen existieren nicht als gleichwertige Subjekte mit gleichen Rechten wie Männer. Jedes einzelne Menschenrecht mussten und müssen Frauen Männern in mühsamen Kämpfen abringen, die nicht selten ihr Leben kosteten. Und wie schon Simone de Beauvoir sagte, sind diese Rechte nie gesichert und wir müssen unser Leben lang auf der Hut sein.
Mit dem Transaktivismus kommt der Rückstoß gegen feministische Bemühungen nun in einem tückischen Gewand daher und nutzt perfide Methoden, um auch junge Menschen und Frauen für die Rechte von Männern einzuspannen. Der Transaktivismus hat erreicht, dass Frauen selbst dafür kämpfen, ihre mühsam erstrittenen Rechte wieder zu verlieren, um Männern weitere Rechte zuzugestehen. Frauen streiten gegen Frauen darum, dass Männer sich durch reine Selbstauskunft (SelfID) als Frauen bezeichnen dürfen und damit alle geschlechterspezifischen Rechte für Frauen hinfällig werden. Um Frauen in diesem Einsatz gegen sich selbst bei Laune zu halten, werden geschickte Methoden verwendet:
Appell an das Mitgefühl und den Altruismus von Frauen
Öffentlichkeitswirksame Attacken und Hetze gegen Frauen, die Widerstand leisten (> #seinichtwierona)
Verharmlosung und Forderung der Akzeptanz von Kollateralschäden bei Frauen („Nur ein Einzelfall“ „Ich bin kein Täter“ #notallmen #notalltrans)
Täter-Opfer-Umkehr
Ausschluss von Frauen aus der öffentlichen Debatte (Blocken und Sperren von öffentlichen Plattformen)
Entmenschlichung von Frauen (> TERF) und Normalisierung von Gewalt gegen Frauen (TERFS boxen, Kill the TERF)
Appell an die Toleranz
Appell an Offenheit und Fortschrittlichkeit („Sei keine Spießerin“)
Gleichstellung von Feminismus mit Faschismus („TERFS sind Faschistinnen“ „TERFs wollen einen Genozid von Transfrauen / also Männern“)
Ausspielen von Frauen gegeneinander („good trans / bad trans“ „Es gibt auch nette Transfrauen“ „Ich bin nicht transfeindlich“ „Entfreunde diese Frau, sonst entfreunde ich Dich“)
Unterwanderung von Medien, Politik und Wissenschaft über „Vielfalt“ und „Modernität“
Konkreter wirtschaftlicher Schaden für Frauen durch Rufschädigung und Jobverlust
Kara Dansky brachte die Gesamtdynamik einmal treffend auf den Punkt:
„Only men could oppress women for thousands of years, then turn around, put on a dress, and complain that they are the most marginalized group in society“.
Nur Männer können Frauen für tausende von Jahren unterdrücken, um sich dann umzudrehen, ein Kleid anzuziehen und sich als die am meisten benachteiligte Gruppe der Gesellschaft zu bezeichnen.
An diesen Punkt überhaupt zu kommen, Männer als Männer zu sehen und sie auch genauso zu benennen, brauchen viele Frauen leider sehr lange – und zwar genau wegen der oben genannten Dynamik. Allein dadurch, dass Männer sich zur Frau erklären und behaupten, dass das Leben in einem Männerkörper ihnen endloses Leid erzeuge, sind selbst Frauen, die sich als Feministin bezeichnen bereit, sich für diese armen Männer einzusetzen und sie in ihre Befreiungskämpfe einzubinden. Sie kämpfen gegen andere Frauen, nicht zu gemein zu diesen Männern zu sein, Verständnis für sie zu zeigen und ihnen Zugang zu Frauenräumen zu gewähren. Sie fordern, sich über diese Männer nicht lustig zu machen und Rücksicht auf ihre Gefühle zu nehmen. Sie erklären Frauen als rechts bis rechtsextrem, die kein Mitleid mit diesen Männern haben.
Wo jedoch nehmen diese Männer Rücksicht auf die Gefühle der Mädchen und Frauen? Wo sind sie bereit aufgrund der realen Gefährdung von Frauen durch Männer auf Sonderrechte zu verzichten? Wo sehen wir von ihnen die Bereitschaft, echtes Verständnis für Frauen zu zeigen? Und inwiefern ist es überhaupt akzeptabel, dass Männer sich „Frau“ als sexistische Identität aneignen und uns Frauen damit verhöhnen?
Diese Fragen verbieten sich Frauen gegenseitig, um nicht als feindselig zu gelten und politisch überhaupt eine Stimme zu erhalten. Sie tun damit das, was Frauen schon seit Jahrtausenden tun: Sich gegenseitig maßregeln und einen Konflikt untereinander ausmachen, statt sich geschlossen gegen diese Übergriffe von Männern zu stellen und die Dinge beim Namen zu nennen. Während Männer Frauen grenzenlos verhöhnen, entmenschlichen und sich einen Spaß aus Frauen machen dürfen, wird Frauen ein Witz über diese übergriffigen Männer zum Verhängnis. Während Frauen Männern fast alles verzeihen, legen sie jedes Wort und jedes Verhalten von Frauen auf die Goldwaage und entsolidarisieren sich von „falschen Freundinnen“.
Während Frauen Männern also grenzenlos Rechte zugestehen, tragen Frauen weiterhin gesellschaftlich, politisch und privat die Lasten dieser Männerrechte. Viele Frauen tragen ihr Leben lang die Folgen der Verfehlungen und Gewalt von Männern – beispielsweise nach häuslicher Gewalt. Aber Frauen haben trotz all dieser realen Benachteiligung und Gewalt durch Männer große Schwierigkeiten, überhaupt erst einmal die Realität dieser Benachteiligung und Gewalt zu realisieren und in der Folge bei ihrem tiefen Zorn anzukommen und zu erkennen, dass dieser zu Recht vorhanden ist. Frauen haben SELBST die größten Schwierigkeiten damit, einen Einsatz für sich selbst nicht als Feindseligkeit zu empfinden. Und in genau diese Verletzlichkeit von Frauen durch ihr Mitgefühl und ihre Aufopferungsbereitschaft, sticht der Transaktivismus mit seinen Narrativen hinein.
Ich kann daher nur immer wieder an Euer Mitgefühl für Euch selbst und damit für alle Mädchen und Frauen appellieren und Euch bitten, dieses Mitgefühl zu kultivieren. Denn das Wohlergehen und die Sicherheit von Mädchen und Frauen ist im Patriarchat nur so lange wichtig, wie Frauen Männern zu Diensten sind. Wenn Mädchen und Frauen aber eine Befreiung fordern, die Männer in ihrer grenzenlosen Freiheit beschränkt und Frauen vollen Subjektstatus als Menschen zugesteht, hat so gut wie kein Mann daran Interesse. Kein Mann kämpft so sehr für Frauen, wie Frauen das für Männer tun. Es ist notwendig, dass wir Frauen uns geschlossen hinter Mädchen und Frauen stellen und Nein sagen zu einer weiteren Unterwanderung unserer Rechte und Sicherheit. Es ist dafür notwendig, dass wir das Recht erhalten, unsere Realität zu benennen und uns dafür einsetzen, diese Realität auch sprachlich zu erhalten.
Wie Magdalen Berns sagte: Es ist kein Hass, die Wahrheit auszusprechen.
Liebe Rona, ich beschäftige mich noch nicht allzu lange mit dieser Thematik und weiß ehrlich gesagt auch gar nicht mehr konkret was der Auslöser dafür war… aber als angehende Pädagogin liegt es mir sehr am Herzen Kinder und Jugendliche von dieser teilweise unfassbaren Übergriffigkeit und Ignoranz, die von Erwachsenen, die dieser Ideologie anhängen, ausgeht. Ich finde Deine Beiträge unglaublich wichtig, immer auf den Punkt, sehr scharf analysiert und trotz der enormen Emotionalität, die dieses Thema mit sich bringt, sehr sachlich und nie verunglimpfend und unter der Gürtellinie. Bleib dabei! Ich beobachte die Entwicklung hier in Deutschland ebenfalls sehr genau zu diesem Thema (SelfID etc., Gefahr der Indoktrination von Kindern…), bleibe wachsam und vertraue meinen Instinkten. Danke dass du hier eine Art Kompass bist, der Licht in diese Irrungen und Wirrungen bringt, bei denen man allzu leicht den Überblick verlieren kann.
Als Vater zweier Töchter und Opa dreier Enkelinnen stimme ich uneingeschränkt zu.