Der Aufschrei der Schöpferinnen
Meine Rede zur internationalen feministischen Demo "ForOurSisters" in Berlin am 24.9.2022 | Organisation: Radfem Berlin
Foto: Gabriele Picello auf Pixabay
Liebe Schwestern,
ich stehe heute hier, um für Mütter zu sprechen, über ihre Kraft und über die Gewalt, die das Patriarchat Müttern über ihre Kinder antut.
Ohne eine Frau, die uns geboren hat, wäre keine von uns hier. Männer können keine Frauen sein, Väter können keine Mütter sein und Lesben haben keinen Penis. Und das ist eigentlich auch schon Anfang und Ende der Geschichte, warum sie uns so hassen. Männer haben keine Eier. Männer brauchen Frauen schon allein, um zu existieren.
Aber seit 8000 Jahren behaupten sie, Schöpfer zu sein und erniedrigen uns.
Denn: WIR SIND DIE SCHÖPFERINNEN!
Viele denken, in reichen Ländern wie Deutschland sei das Patriarchat längst Geschichte. Dass das nicht stimmt, wird besonders sichtbar in Krisen und Kriegen und bei Frauen und Müttern. Frauen, die Mütter sind, sind über ihre Kinder besonders verletzbar. In Form der stellvertretenden Gewalt macht das Patriarchat sich dies zunutze. Es unterdrückt die Mütter über ihre Kinder und zwingt die Mütter, seine Gewalt an die eigenen Kinder weiterzugeben.
BEISPIEL SCHWANGERSCHAFT UND GEBURT:
In Deutschland ist es nicht nur nach wie vor eine geduldete Straftat, eine Schwangerschaft abzubrechen. Deutschland hat auch mit einer stark abnehmenden Versorgung von Schwangeren zu kämpfen. Hebammen betreuen kaum noch Geburten wegen zu hoher Haftpflichtversicherungskosten. Geburtsstationen in Kliniken schließen. In manchen Gegenden von Deutschland findet eine schwangere Frau keine Unterstützung in ihrer Nähe mehr. Mitten in Berlin musste eine unserer Schwestern schon auf dem Parkplatz gebären, weil kein einziger Kreißsaal frei war. Gewalt unter der Geburt ist in Deutschland weiterhin verbreitet. Man hantiert an und in unserem Körper, als seien wir gefühllose Geburtsmaschinen. Inzwischen sollen wir hinnehmen, als „gebärende Personen“ oder „Mensch mit Uterus“ entmenschlicht und auf unsere reproduktiven Fähigkeiten reduziert zu werden.
Mit dem Wunsch, Leihmutterschaft in Deutschland zu legalisieren, werden unsere Körper und unsere Kinder endgültig auf den Status einer mietbaren und käuflichen Ware reduziert.
Wir sagen Nein! Wir verdienen eine menschenwürdige Behandlung und umfassende und gewaltfreie Unterstützung in Schwangerschaft und unter der Geburt. Wir haben ein Recht auf volle sexuelle und körperliche Selbstbestimmung. Wir fordern die Abschaffung des Paragraph 218. Wir fordern, unsere Sprache für uns und unseren Körper als vollwertige Menschen zu erhalten.
BEISPIEL VATERGEWALT UND VATERRECHT:
In Deutschland werden Mütter bestraft, wenn sie sich vom Vater trennen. Auch wenn der Vater zum Täter geworden ist, ist eine vollständige Trennung mit gemeinsamen Kindern so gut wie unmöglich.
Durch das geteilte Sorge- und Aufenthaltsbestimmungsrecht kann der Vater dauerhaft Einfluss auf das Leben von Müttern und Kindern nehmen, selbst wenn er sich überhaupt nicht um die Kinder kümmert. Er darf eine Therapie von traumatisierten Kindern durch die Verweigerung der Unterschrift verhindern. Er hat Zugriff auf das Konto der Kinder. Er darf einen Umzug von Mutter und Kind verweigern, während er selbst hinziehen darf, wohin er will. Er darf Umgang erzwingen, auch wenn die Kinder ihn gar nicht sehen wollen. Aber er darf nicht zum Kontakt mit den Kindern gezwungen werden.
Mütter, die vor häuslicher Gewalt mit ihren Kindern ins Ausland fliehen – bspw. zu ihrer Familie – machen sich durch die Hague Convention strafbar. Das bedeutet: Ihnen droht Haft wegen Kindesentführung. Sie werden gezwungen, mit ihren Kindern in das Land des Täters zurückzukehren.
In Jugendämtern und Familiengerichten werden Mütter regelmäßig als bindungsintolerant und psychisch krank hingestellt, wenn sie sich und ihre Kinder vor einem Tätervater schützen wollen oder wenn die Kinder den Kontakt verweigern. Manche Kinder werden zum Vater zwangsumgesiedelt oder in Heime gesteckt, auch wenn sie bei ihrer Mutter bleiben wollen. Der Staat führt also über institutionelle Gewalt die Gewalt des Tätervaters weiter fort.
Die Gewalt- und Femizidstatistiken in Deutschland bestätigen, dass Vätergewalt in großer Zahl Mütter trifft. Vor allem eine Trennung ist lebensgefährlich. Diese Gewalt trifft auch die Kinder und hat lebenslange Auswirkungen.
Daneben steigt durch eine Trennung das Armutsrisiko für Frauen und Kinder massiv. Das bedeutet, dass Frauen allein wirtschaftlich ihr Leben lang für die Taten des Vaters und eine Trennung bestraft werden.
Wir sagen Nein! Wir fordern die sofortige Umsetzung der Istanbulkonvention in Deutschland und eine Kinder- und Müttergrundsicherung, so dass Mütter sich und ihre Kinder vor Männer- und Vätergewalt schützen können. Wir fordern eine Eindämmung der Väterrechte, die rein auf Grundlage eines Spermium-Beitrags erteilt werden.
BEISPIEL GENDERIDENTITÄTSTHEORIE UND SELF-ID-GESETZE:
Die Behauptung, ein Kind könne im falschen Körper geboren sein, heißt auch: Eine Frau bringt ein falsches Kind in einem falschen Körper zur Welt. Diese Haltung allein ist ungeheuerlich. Kein Mensch wird im falschen Körper geboren. Keine Mutter gebärt ein falsches Kind.
Realität ist aber auch: Fast jedes Mädchen hat in der Pubertät Schwierigkeiten mit ihrem Körper oder lehnt ihn ab. Der Transgenderismus täuscht Mädchen vor, dass sie Jungen sein können. Aber kein Mensch kann sein Geschlecht wechseln. Wir können durch Hormonbehandlungen und plastische Chirurgie eine Simulation des Gegengeschlechts erreichen. Wir können unsere Sexualität verleugnen und nicht dazu stehen, dass wir Frauen lieben. Das ist kein Widerstand gegen das Patriarchat.
Mütter sollen nun unterstützen, dass ihre Töchter ihre Brüste abschneiden, sich sterilisieren lassen und Hormone schlucken, die sie lebenslang krank machen. Sie sollen hinnehmen, dass sie ihre Tochter verlieren und in die Lüge einstimmen, dass sie ein Sohn sei. Wenn sie diesen Wunsch hinterfragen, wird ihnen gedroht, dass die Tochter sich umbringt. Von Transaktivisten wird der Tochter geraten, den Kontakt zur Mutter abzubrechen. Durch das deutsche Konversionstherapiegesetz sind Mütter sogar gezwungen, die Lüge zu unterstützen, dass Mädchen Jungen sein können.
Wenn wiederum ein Mann und Vater behauptet, eine Frau zu sein, nimmt er seine ganze Familie in diese Lüge mit. Viele dieser Väter behaupten sogar, Mütter zu sein. Das zeigt ihre Frauenverachtung, denn kein Mann kann die Körper-Erfahrungswelt einer Frau und Mutter teilen. Die eigene Familie zu zwingen, die Wahrheit zu leugnen und von der Mutter zu erwarten, dass sie diese Lüge mitträgt und die eigenen Kinder von der Lüge überzeugt, ist psychische Gewalt.
Wenn Männer sich zur Frau erklären und Frauenräume einnehmen, können Mütter sich und ihre Kinder nicht mehr ausreichend vor Männergewalt schützen. Sie werden gezwungen, selbst zu lügen und ihre Kinder zur Lüge zu zwingen, um sich nicht strafbar zu machen.
Wir sagen Nein! Männer können keine Frauen sein. Wir fordern den Erhalt unserer geschlechterspezifischen Räume, Rechte und Veranstaltungen. Wir fordern, unsere Realität als Frauen benennen zu können und nicht zu einer Lüge gezwungen zu werden. Wir fordern, unsere Kinder zu schützen vor dem Glauben, das Geschlecht selbst bestimmen zu können. Wir fordern Glaubens- und Meinungsfreiheit. Keine Frau soll Haft fürchten, weil sie die Wahrheit sagt.
In diesen Tagen kämpfen Frauen im Iran dagegen, dass sie sich und ihre Töchter zwangsverschleiern müssen und riskieren dabei ihr Leben. In Afghanistan kämpfen Frauen darum, dass ihre Töchter die Schule besuchen können. In Afrika kämpfen Frauen gegen die Genitalverstümmelung ihrer Töchter. In Russland kämpfen Frauen dagegen, ihre Söhne als Kanonenfutter zur Verfügung zu stellen. In Pakistan kämpfen Frauen um ihr Überleben und das Überleben ihrer Kinder in Flutkatastrophen durch die räuberische Ausbeutung unseres Planeten. Mitten in Deutschland kämpfen Mütter darum, dass sie ihren Kindern ein Essen auf den Tisch stellen können und verarmen als alte Frauen, weil Sorgearbeit nichts wert ist.
Frauen überleben die Widersprüche, Lügen, Unterdrückung und Gewalt des Patriarchats seit Beginn der Vaterherrschaft. Mütter bringen dennoch Kinder auf die Welt und sorgen für ihr Leben und Überleben – auch unter schwierigsten Bedingungen. Das allein zeigt, wie stark und resilient wir wirklich sind.
Umso stärker sind wir als Gemeinschaft der Frauen. Das Patriarchat versucht uns zu spalten. Denn Frauen als entschiedene Verbündete, die sich einander zuwenden, sind eine große Kraft und gefährlich für die Macht der Männer.
Wir Mütter und unsere Kinder haben ein Recht auf ein sicheres und menschenwürdiges Leben frei von Männer- und Vätergewalt, frei von institutioneller Gewalt von Vater Staat und seinen Organen und geschützt vor der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und damit der Zukunft unserer Kinder. Wir Mütter sollten damit rechnen können, dass wir getragen sind von einem starken Kreis der Frauen. Wir sollten nicht verarmen, vereinsamen, arbeitslos sein oder verhaftet werden, weil wir Mütter sind und unsere Kinder schützen. Wir sollten für die Realität einstehen dürfen.
Und an dieser Stelle übernehme ich das Motto der Frauen aus Rojava und aus dem Iran: „Ohne Frauen kein Leben, ohne Leben keine Freiheit“. „Frauen, Leben, Freiheit!“
Englische Übersetzung auf der Website von Radfem Berlin unter: https://radfemberlin.de/foroursisters
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Mein großer Dank gilt Radfem Berlin und Ana Julia für die Organisation der bisher größten radikalfeministischen Demo in Berlin und Deutschland gegen die aktuellen frauenfeindlichen Gesetzesvorhaben.
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Hervorragende Zusammenfassung eines berechtigten Kampfes um Lebens- und Freiheitsrechte!
Besten Dank!
Toller Text. Es ist äußerst bitter, dass Frauen immer und immer wieder und im Zeitalter der Hochtechnologie sogar verstärkt um die Anerkennung der größten Selbstverständlichkeiten kämpfen müssen: dass sie existieren, dass Frauen Frauen sind und sonst niemand, dass sie die Kinder bekommen und dass ihnen dadurch Verantwortung zuwächst und das Recht auf Respekt und Schutz und auf ein frei gestaltetes, mit allen Handlungsspielräumen, die für ihr Wohl und das Wohl ihrer Kinder notwendig sind, ausgestattetes Leben. Wenn Männer gute Väter sein können und wollen: umso besser. Jedem Kind tut ein guter Vater gut. Aber dazu brauchen Männer keine Rechte, die im Konfliktfall, in Fällen von Machtmissbrauch und Liebesunfähigkeit, die es auch gibt, und leider nicht selten, dazu hergenommen werden können, das Leben sowieso schon belasteter Mütter und Kinder dauerhaft zu erschweren oder zur Hölle zu machen und die gescheiterte Verbindung unentrinnbar.